Flugsimulator Jannis Liebmann

Außergewöhnliche Ausbildungsberufe: Fluglotse/Fluglotsin

Über 8.000 Flugzeuge sind täglich über Deutschland in der Luft. Es scheint beinahe wie ein Wunder, dass es nicht zu Kollisionen kommt. Doch dieses Wunder ist menschengemacht. Fluglotsen sorgen jeden Tag aufs Neue dafür, dass tausende von Menschen sicher per Luftfahrt von A nach B kommen. Doch wie werde ich eigentlich Fluglotse? Was muss ich tun, um mich zu bewerben und wie läuft die Ausbildung ab?


Um Dir diese Fragen zu beantworten, haben wir jemanden gefragt, der all das gerade selbst erlebt. Jannis Liebmann ist 22 Jahre alt und inzwischen im dritten Ausbildungsjahr der Ausbildung zum Fluglotsen. Wir haben uns mit ihm getroffen und über das Bewerbungsverfahren, die Ausbildung und die Möglichkeiten im Job gesprochen.


Wie bist Du darauf gekommen, Fluglotse zu werden?
Das ist ja schon ein eher außergewöhnlicher Ausbildungsberuf.

Ich denke das hatte damit zu tun, dass ich vorher studiert habe. Das
war alles sehr theoretisch und mir fehlte der Praxisbezug. Also habe ich mich nach Alternativen umgeschaut. Irgendwann bin ich bei YouTube auf ein Video von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH gestoßen. Das sah super interessant aus. Also habe ich mich auf der Seite der DFS ein bisschen weiter informiert und mich schließlich beworben.


Das Bewerbungsverfahren ist ja ein bisschen anders als bei anderen Ausbildungsberufen. Ich habe gehört, das geht über mehrere Bewerbungsrunden. Wie genau läuft es ab?

Ich skizziere mal die Grundstrukturen. Wenn man es grob aufteilt, besteht das Verfahren aus vier Stufen. Es geht damit los, dass Du zuerst Deine Bewerbungsunterlagen bei der DFS einreichst. Dabei werden Deine Grundvoraussetzungen gecheckt, die Du erfüllen musst. So musst Du zum Beispiel eine Allgemeine Hochschulreife, also Abitur, haben. Du darfst maximal 24 Jahre alt sein.
Außerdem musst Du bis zum Abitur Englisch gehabt haben oder ein C1-Level-Zertifikat in Englisch besitzen.
• Wenn das alles passt, dann ist die erste Stufe ein Online-Test. Dabei geht es hauptsächlich um Deinen Werdegang. Du bekommst außerdem Aufgaben gestellt, bei denen Du einschätzen musst, wie Du in bestimmten Situationen reagieren würdest.

• Der zweite Schritt ist dann das erste richtige Auswahlverfahren. Das findet in Hamburg beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) statt. Du hast computergestützte Tests, bei denen es um Grundfertigkeiten wie Merkfähigkeit, räumliche Orientierung und Konzentrationsvermögen geht. Englischkenntnisse werden auch abgefragt.
Wenn Du diese Tests erfolgreich geschafft hast, hast Du noch einmal zwei weitere Tests. Da probierst Du Dich auch schon mal ein bisschen am Lotsen der Flugzeuge, aber natürlich in einer sehr vereinfachten Form. Ob Du eine Runde weiter bist, erfährst Du dann, wenn Du wieder zu Hause bist.

• Wenn Du es geschafft hast, wirst Du wieder nach Hamburg eingeladen. Das ist der dritte Schritt und die sogenannte Hauptuntersuchung. Die Hauptuntersuchung beschäftigt sich hauptsächlich damit, wie Du Dich im Team verhältst. Es werden verschiedene Team-Tests gemacht, da Du als Lotse auch sehr teamfähig sein musst. Zusätzlich kommt dann noch ein abschließendes Interview. Das wird von Psychologen und extra ausgebildeten Fluglotsen gemacht.

• Wenn Du diese Runde ebenfalls schaffst, kommt der letzte Schritt. Das ist die medizinische Untersuchung, auch „Medical“ genannt. Dabei wirst Du medizinisch auf Deine berufliche Tauglichkeit hin untersucht. Deine Augen müssen einigermaßen in Ordnung sein, Dein Hörvermögen darf nicht eingeschränkt sein und Du darfst keine chronischen Erkrankungen
haben. Wer sich darüber nochmal genauer informieren möchte, das steht auch alles auf der Seite der DFS.

Und nach der Untersuchung hat man es dann endlich geschafft?

Ja, genau. Dann ist man angenommen und erhält seinen Vertrag. Jährlich bewerben sich über 5 000 Leute bei der DFS. Wie viele von den Leuten, die sich bewerben, werden denn am Ende auch genommen? Von allen Leuten, die sich bewerben, schaffen es in der Regel etwa 5 %.


Die richtige Ausbildung findet dann zunächst an der Akademie der DFS in Langen in der Nähe von Frankfurt statt, oder?

Ja, genau.

Ich habe gehört, dort findet dann zuerst die theoretische Ausbildung statt und die Praxis kommt erst später. Wie genau sieht die theoretische Ausbildung aus?

Auf der Seite der DFS steht zwar „theoretische Ausbildung“, das ist aber nur in dem Sinne gemeint, dass Du noch keine echten Flugzeuge lotst. Es ist von Anfang an sehr praxisbezogen. Du hast immer wieder Praxisphasen, die sind aber nur in einem Simulator. Du hast aber gerade am Anfang auch sehr viele Theorieblöcke, da Du ja noch gar kein Wissen hast. Das musst Du Dir erstmal aneignen.


Wie lange dauert die „theoretische“ Ausbildung denn ungefähr?

Bei mir war es so, dass ich zwei Jahre zur theoretischen Phase in Langen war. Normalerweise dauert das so anderthalb Jahre. Das unterscheidet sich je nachdem, ob Du eine Ausbildung zum Center- oder zum Tower-Lotsen machst. Durch Corona und Lockdown hat sich das bei mir aber in die Länge gezogen.


Wenn man den theoretischen Teil abgeschlossen hat, kommt der praktische Teil. Der findet aber nicht in Langen statt, oder?

Nein, nicht unbedingt. Wo die praktische Ausbildung stattfindet, hängt davon ab, was für ein Lotse Du später wirst. Grundsätzlich ist das unterteilt in unterer Luftraum, oberer Luftraum und Tower. Ich bin im unteren Luftraum und da gibt es drei mögliche Standorte: Bremen, München und Langen. Im oberen Luftraum kommt man immer nach Karlsruhe. Wenn man in den Tower kommt, gibt es 15 verschiedene Standorte an den internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland.


Was ist der Unterschied zwischen Center- und Tower-Lotse?

Tower ist eigentlich alles, was in Flughafennähe stattfindet. Dort ist man zum Beispiel für die Start- und Landefreigaben verantwortlich. Sobald die Flugzeuge abgehoben haben, übernimmt dann das Center. Dort wird der Flugverkehr zwischen Abflug und Landung auf einem Radarbildschirm überwacht. Auch in allen Höhen, also sowohl unterer als auch oberer Luftraum.


Wie sieht die praktische Ausbildung aus? Damit fängst Du ja gerade an, oder?

Ja genau, ich habe jetzt schon eine Woche hinter mir. Wir haben jetzt am Anfang erstmal wieder Theorie und auch wieder Simulator. Nach ungefähr 10 Wochen fängst Du an, den realen Flugverkehr zu kontrollieren.
Dabei redest Du auch schon direkt mit den Piloten. Dein Ausbilder sitzt aber am Anfang die ganze Zeit hinter Dir, und wenn Du etwas falsch machst, dann greift er ein.


Bekannt ist, dass Fluglotsen sehr gut verdienen. Wie hoch ist
denn die Ausbildungsvergütung und das Gehalt später im Beruf?


Während der Akademiephase liegt die Ausbildungsvergütung bei rund 1.200 Euro im Monat inklusive Wohngeld. Zu Beginn der praktischen Ausbildung liegt die jährliche Vergütung bei etwa 48.000 Euro im Jahr.
Abhängig vom Standort und Fortschritt der Ausbildung steigt die Vergütung auf bis zu 71.000 Euro pro Jahr. Die Einstiegsvergütung ab vollständigem Berechtigungserwerb liegt standortabhängig bei rund 100.000 Euro brutto im Jahr.


Wie sehen die Arbeitszeiten von Fluglotsen aus? Ich habe gehört,
dass man hauptsächlich im Schichtdienst arbeitet.


Am Anfang hast Du in der Ausbildung noch keinen Schichtdienst. Später wird das so ein bisschen Schichtdienst-mäßig gehandhabt. Da hast Du dann entweder Vormittags- oder Nachmittagsschicht. Wenn Du später an der Praxis-Niederlassung bist, arbeitest Du zu ganz unterschiedlichen Zeiten.
Da gibt es eine Frühschicht, eine Spätschicht und eine Nachtschicht.


Was für Perspektiven hat man nach der Ausbildung?

Du hast nach der Ausbildung auf jeden Fall eine Übernahmegarantie.
Abgesehen von der Arbeit als Fluglotse, kannst du zum Beispiel Ausbilder werden und die Azubis während der praktischen Ausbildung trainieren.
Du kannst aber auch an der Akademie, wo die theoretische Ausbildung
stattfindet, Lehrer werden. Du kannst auch Prüfer werden und die Auszubildenden prüfen. Und Du kannst auch Supervisor werden. Als disziplinarischer Vorgesetzter der Lotsen ist er unter anderem für den reibungslosen Betriebsablauf und den Personaleinsatz zuständig.


Als Fluglotse hat man eine ziemlich große Verantwortung. Was sollte man für die Ausbildung bzw. den Beruf für Fähigkeiten mitbringen?

Es gibt ein paar Grundfertigkeiten, die auch in dem Auswahlverfahren geprüft werden. Dazu gehören eben eine sehr gute Konzentrationsfähigkeit und gute Englischkenntnisse, da in der Fluglotsensprache so gut wie alles auf Englisch kommuniziert wird. Du solltest außerdem eine gute räumliche Orientierung haben. Auch eine gute Merkfähigkeit ist wichtig.
Zusätzlich solltest Du teamfähig sein und ein gewisses Interesse an der Luftfahrt mitbringen.

redaktioneller Artikel von: Lea Göddert

Foto: Anja Naumann