Kein Bock auf GEWÖHNLICH?!

Es gibt Ausbildungen, unter denen man sich gleich etwas vorstellen kann oder bei denen man sofort jemanden kennt, der den Beruf erlernt oder ausübt. Neben diesen „normalen“ Ausbildungen gibt es solche, die doch etwas seltener anzutreffen sind. Weil sie weniger bekannt oder einfach nicht so verbreitet sind. Was macht zum Beispiel ein Metallbildner genau? Und was macht den Beruf des Bestatters so vielfältig?

An der Schnittstelle von Metallhandwerk & Design

Foto: Christian Beier

Auf der Werkbank liegen mehrere goldfarbene, gebogene Metallelemente. „Die sind aus Messing. Das erkennt man an der Farbe“, erklärt Balduin von Au. Darunter liegt die Zeichnung des Objekts, das später aus den einzelnen Elementen entstehen soll: drei große, gleichmäßige Ringe mit jeweils sechs Metern Durchmesser. Damit alles genau passt, biegt er die einzelnen Bogenelemente in der Werkstatt bei Dinnebier- Licht mit einer Maschine in die richtige Krümmung – Millimeterarbeit, die dem gelernten Metallbildner besonderen Spaß macht. „Da braucht man Übung und Geschick für“, meint er stolz. „Aber das ist immer schön, wenn man ein bisschen tüfteln muss.“
Das Formen und Bearbeiten von Metallen, vornehmlich Buntmetallen wie Messing oder Kupfer, aber auch Edelstahl, ist typisch für den Beruf des Metallbildners, der sich an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Design befindet. Ob Leuchten, ganze Beleuchtungssysteme oder Metallobjekte in einem bestimmten Stil oder Design – alles ein Fall für den Metallbildner. Auch das sogenannte Biegen von Metallen, Sägen, Bohren, Fräsen oder das Polieren des jeweiligen Werkstoffes gehören zu den gängigen Arbeitsschritten. Elementar dabei: Präzision, Technik und das Fachwissen um das Material. Denn bei den exakt gearbeiteten Produkten kommt es auf Details an.

Metall kreativ bearbeiten und Kunstobjekte schaffen

Bei Dinnebier in Solingen geht es speziell um Leuchten aller Art. Der Betrieb bildet selbst aus, in der Fachrichtung Gürtlertechnik. Geschäftsführer Daniel Klages weiß um die Seltenheit des Berufs: „Das bildende und gestaltende steckt schon in der Berufsbezeichnung. Aus buntem Metall ein künstlerisches Objekt zu schaffen und kreativ zu sein: Das ist das besondere an dem Beruf und unterscheidet uns zum Beispiel von Schlossern.“ Die Ringe, die Balduin von Au gerade in der Werkstatt fertigt, sind beispielsweise Teil einer großen Licht Konstruktion, die zukünftig in einer historischen Kirche in Bad Neuenahr hängen wird. Insgesamt 3,5 Jahre dauert die Ausbildung, die dual in einem handwerklichen Betrieb und an einer Berufsschule absolviert wird. Mit drei möglichen Schwerpunkten: Gürtlertechnik, Ziseliertechnik und Drücktechnik. Mit dem Technischen Berufskolleg befindet sich die Berufsschule für Metallhandwerk auch in Solingen. Ebenfalls eine Besonderheit, betont Daniel Klages: „Das ist ein Vorteil, dass die Schule hier ist und passt auch gut, da Solingen eine große Geschichte in der Metallindustrie hat.“ Heißt: Deutschlandweit kommen Metallbildner, Graveure oder auch Silberschmiede
ans Technische Berufskolleg. Die Berufsschulklasse bilden die Metallbildner gemeinsam mit den Graveuren. „Beide Berufsrichtungen haben einen Gestaltungsanspruch “, erläutert Klages. Auch wenn Auszubildende aus ganz Deutschland eine Klasse bilden, ist diese in aller Regel klein. „Bei mir waren wir zu sechst“, berichtet Balduin von Au. Er hat die Ausbildung von 2018 bis 2021 bei Dinnebier und dem Technischen Berufskolleg gemacht. Wie er auf den Beruf gekommen ist?
„Das war reiner Zufall. Ich wusste, dass ich etwas Handwerkliches machen möchte und habe ein Praktikum hier gemacht.“ Gut habe ihm auch die praktische Ausrichtung der Schule gefallen, die die Inhalte aus dem Betrieb passend ergänzt habe. „Bei Arbeiten, die wir hier seltener machen. Zum Beispiel ziselieren, gravieren, löten oder drücken von Metall.“

Foto: Christian Beier

Handwerk trifft Hightech

Ebenfalls auf dem Stundenplan: Produkte entwerfen und zeichnen, sowie Gestaltungstechnik. Auch Grundzüge der Elektrotechnik sind Lehrinhalt, um Kabel und Leuchten entsprechend zu verbauen. Oder, um den Service bieten zu können, die eigenen Leuchten und Projekte im Sinne der Nachhaltigkeit von Halogen auf energiesparendere LEDs umzurüsten.
Daniel Klages: „Wir sind inzwischen ein Hightech-Unternehmen geworden. Elektrotechnische Zusammenhänge lernen die Azubis daher auch kennen.“
Nach dem Gesellenbrief könnte ein Meisterkurs oder ein Ausbilderkurs folgen. Letzteren hat Balduin von Au nach seiner Gesellen-Prüfung inzwischen ebenfalls abgeschlossen. Gerade gibt es wieder einen neuen Azubi bei Dinnebier, den er ausbildet. In jedem Jahr soll eine Azubi-Stelle angeboten werden, wünscht sich Daniel Klages. Was ist dafür wichtig? Mindestens ein Hauptschulabschluss, handwerkliches Interesse, ein Gespür für Ästhetik, Spaß am Tüfteln und genauem Arbeiten. Und: Soziale Kompetenz. Auch menschlich müsse es passen, betont der Geschäftsführer, schließlich verbringe man viel Zeit gemeinsam in der Werkstatt.
Alle sechs Mitarbeiter, die aktuell bei Dinnebier arbeiten, hat der Betrieb
selbst ausgebildet. „Die Ausbildung kann aber auch ein Übergang sein für Ingenieurstudiengänge oder Innenarchitektur“, führt Klages weitere Perspektiven auf. Und: „Es ist auch ein Beruf, den Frauen gut erlernen können, da man keine Tonnen an Gewicht bewegen muss.“

Es darf ruhig knifflig sein

Haben Balduin von Au und Daniel Klages bei den vielen Leuchten, die sie gefertigt haben, ein Lieblingsprojekt? Eine schwierige Entscheidung, da sind sich beide einig. Balduin von Au hat es jedenfalls die Ocular-Serie angetan. „Große Ellipsen. Das macht immer Spaß.“ Diese erfordern besonders viel Geschick, die Buntmetall-Profile in eine ovale Form zu biegen, mit zwei engen Krümmungen. Und ein Projekt aus seiner Zeit als Azubi ist bei ihm auch besonders haften geblieben. Eine Leuchte für ein großes Kaufhaus in London. „25 mal 30 Meter. Das macht schon stolz, wenn man weiß, dass das da jetzt hängt.“

Vom Schreiner zum Eventmanager

Ob als junger Mensch oft die Frage kommt, warum sie sich ausgerechnet für eine Ausbildung zur Bestatterin entscheiden hat? Mona Linden nickt. Das Thema kennt sie gut. Tod und Trauer erscheinen vielfach als große Hürde und Belastung. Die Vorstellung, dass jemand beruflich täglich damit zu tun hat, wirkt auf viele Menschen erst einmal abschreckend.
„Das verstehe ich“, sagt sie. Sie selbst habe sich auch nicht gleich für die Ausbildung und den Beruf der Bestatterin entschieden, auch wenn ihre Eltern ein Bestattungsunternehmen führten und sie mit diesem Beruf aufwuchs. „Am Anfang findet man das meistens uninteressant, was die Eltern machen“, meint ihr Vater Martin Linden lachend. „Irgendwann kam sie dann von sich aus und fand das dann doch ganz spannend.“ Nach einem Grafik-Studium zum 3D-Artist entschied sie sich nach dem Abschluss für die Ausbildung zur Bestatterin. Seit 2020 ist sie nun ausgebildete Bestattungsfachkraft, wie die genaue Berufsbezeichnung lautet, und hat den elterlichen Betrieb mit ihrem Bruder Felix übernommen.

Foto: Michael Strahlen

Handwerklich, sozial und kaufmännisch

Ihr Vater freut sich darüber, der eine Prämisse hatte: kein Quereinstieg. „Sie sollte die Ausbildung machen und es richtig lernen.“ Nicht umsonst ist der Beruf inzwischen in der Industrie- und Handwerkskammer eingetragen. „Das Berufsbild und auch die Ausbildung hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt.“ So belegte Mona auf der Berufsschule Fächer wie Buchführung, Trauerpsychologie, Religionskunde oder Hygiene. Was ihr daran gefällt: „Das ist sehr vielfältig. Handwerklich, sozial und kaufmännisch.“ Vieles gilt es zu bedenken, wenn man Menschen bei der Trauerbewältigung unterstützt – von der Erstellung von Trauerkarten, über die Entscheidung für einen Sarg oder eine Urne, bis hin zur Wahl der Rede oder der Musik. Darüber hinaus muss man sich mit den Friedhofsbestimmungen und rechtliche Regularien des jeweiligen Ortes oder der Stadt auskennen. All das ist herausfordernd. Vor allem, weil immer alles sitzen muss. Felix Linden betont: „Wir haben nur einen Versuch. Das ist wie bei einer Hochzeit. Da gibt es auch immer den einen Tag, an dem alles passen soll.“ Dazu sind die Ansprüche und besonderen Wünsche gestiegen, entsprechend ist auch der Inhalt des Berufs und der Ausbildung gewachsen. Viele wollen etwas Besonderes, nicht von der Stange. Martin Linden erklärt: „Die gesamte Palette dessen, was möglich ist, wird abgefragt. Wir sind heute weniger Schreiner, sondern im Prinzip Event-Manager.“

Nischen suchen

Die Aufgaben-Vielfalt bedeute aber auch, sich kreativ ausleben zu können. Martin Linden kümmert sich trotz Pensionierung noch um die Trauerreden: „Weil es einfach Spaß macht. Das ist schon ein toller Beruf.“ Mona übernimmt derweil mit Alexander Künkels als ausgebildete Bestattungsfachkräfte das Tagesgeschäft. Felix hat IT-Security studiert und ist für die Buchhaltung zuständig. „Das mache ich ohnehin nicht so gerne“, meint Mona lächelnd. Dafür gestalte sie umso lieber Trauerkarten. Beide können so das Vorwissen ihres jeweiligen Studiums gut gebrauchen. Auch das zeige die Vielfalt des Berufes. Grundsätzlich reiche ein Hauptschulabschluss als Grundvoraussetzung, gerne gesehen sei aber ein guter Realschulabschluss, erklären Martin, Mona und Felix Linden. Dazu Empathie und Einfühlungsvermögen, eine gute Selbstorganisation, Stressresistenz, Kreativität, sowie gute Deutschkenntnisse. Der Führerschein und Volljährigkeit seien schon zu Beginn der Ausbildung von Vorteil. Und ein wenig Kraft, um eine Leiche heben zu können. Auch das gehöre dazu und soll möglichst pietätvoll vonstattengehen. Ihre persönlichen Erfahrungen und Wege in den Beruf habe außerdem gezeigt, dass es auch nicht verkehrt ist, vorher etwas anderes gemacht zu haben. Ob handwerklich, kaufmännisch oder mit Medien. „Dann wissen die Leute eher, was sie wollen.“ Denn der Beruf ist fordernd und kann emotional belastend sein. Auch, weil neben der aktiven Trauerbegleitung im Zuge eines Sterbefalles die Bestattungsvorsorge immer mehr an Bedeutung gewinne, wenn Menschen noch zu Lebzeiten ihren Tod regeln möchten. Martin Linden erläutert die Herausforderungen: „In dem einen Fall besteht eben konkreter Handlungsbedarf, im anderen begleitet man die Person über einen längeren Zeitraum.“ Man baut nicht nur zu der Familie, sondern auch zu der sterbenden Person eine Bindung auf. „Die kennen wir dann seit Jahren und man denkt sich dann: Ich möchte nicht, dass die tot ist“, berichtet Mona. Schwierig sei es auch, wenn junge Menschen oder Kinder sterben. „Ich hatte schon Sterbefälle, die waren so alt wie ich selbst oder jünger. Das macht schon was mit einem.“

Ein sozialer Beruf, dicht am Menschen

Die Verbindung mit den Menschen sei aber auch immer sehr bereichernd. Zudem könne man Menschen in einer Ausnahmesituation etwas abnehmen und sie unterstützen. Martin Linden findet: „Es ist zum Beispiel immer schön, wenn man dasteht und die Leute lachen, weil eine Anekdote zu dem Verstorbenen gepasst hat. Und es ist auch immer schön, wenn die Leute sagen: Wir haben uns wohlgefühlt.“ Mona begeistert an dem Beruf, dass kein Tag dem anderen gleicht: „Ich habe mit Menschen zu tun und komme raus. Das ist nicht der 40-Stunden Bürojob. Es ist auch befriedigend zu sehen, dass man etwas schafft und ein Projekt für sich abschließen kann. Das ist dann ein Erfolgserlebnis.“ Ihr Bruder schätzt dagegen vor allem die enge Verbindung zu einer Region und den Menschen vor Ort: „Man ist lokal gut vernetzt. Man freut sich, wenn man Feedback von den Menschen bekommt, die einen zufällig in der Stadt sehen und sagen, dass der Tag gelungen war.“

Berufsbezeichnung: Metallbildner/-in
• Fachrichtung: Gürtler
• Ausbildungsform: duale Ausbildung im Betrieb und blockweise an der Berufsschule
• Ausbildungsdauer: 3,5 Jahre (12 Wochen Berufsschule pro Jahr)
• Voraussetzungen: handwerkliches Geschick und Interesse, Sinn für Ästhetik
• Schulabschluss: Hauptschulabschluss
• Prüfung: Zwischenprüfung und Abschlussprüfung zum
Metallbildner-Gesellen, schriftlicher und praktischer Teil mit Gesellenstück
• Weitere Fachrichtungen: Ziseliertechnik, Metalldrücktechnik

Berufsbezeichnung: Bestattungsfachkraft
• Ausbildungsform: duale Ausbildung im Betrieb und an der Berufsschule
• Ausbildungsdauer: 3 Jahre, mit der Option,
auf 2 Jahre zu verkürzen
• Voraussetzungen: Empathie, Organisation,
Stressresistenz, gute Deutschkenntnisse
• Schulabschluss: mindestens ein guter
Hauptschulabschluss

interviewt und verfasst von Celine Derikartz/ Volontärin

Kategorien: Ratgeber/Tipps