Berufswunsch: Profisportler?

Olympiasieger Jonas Reckermann berichtet aus seiner Karriere

Foto: Christian Beier

Jonas Reckermann ist ehemaliger Beachvolleyball Profi, Olympiasieger von 2012 und
war einer der erfolgreichsten deutschen Beachvolleyballer überhaupt. Heute unterrichtet
er am Landrat-Lucas-Gymnasium in Leverkusen. Im Gespräch berichtet Jonas
Reckermann von seinen Erfahrungen im Profisport und gibt wertvolle Tipps für alle,
die ebenfalls von einer Karriere im Leistungssport träumen. 

Du sollst dadurch einen ehrlichen Einblick in den Weg dorthin bekommen – mit all seinen
Chancen, Herausforderungen und auch den Dingen, an die man vielleicht nicht sofort
denkt.

War Beachvolleyball von Anfang an Ihr Traumsport?
War es immer Ihr Plan, Profi zu werden oder gab es einen ausschlaggebenden Moment?

Sport war für mich immer wichtig, sowohl aktiv als auch passiv. Als Kind habe ich alles rund um Sport verfolgt – Olympia, Wintersport – und war viel in Bewegung. Ich begann mit Fußball, machte mit Leichtathletik weiter und kam später zum Hallenvolleyball, ohne das Ziel, Profisportler zu werden. Mit 19 oder 20 Jahren spielte ich dann in der ersten Liga, studierte nebenher, aber der Sport war mein Fokus. Da konnte man es erstmals als Profisport bezeichnen. Dann bekam ich die Anfrage für Beachvolleyball. Die Aussicht auf Olympia gab den Ausschlag – in der Halle gab es für mich keine Chance auf die Spiele. Das war meine Initialzündung: Ich wollte unbedingt zu Olympia und habe es deshalb im Sand versucht.
Jonas Reckermann

Hatten Sie auch Zeit für ein „normales“ Privatleben?

Zeitlich war es schon schwierig, aber es ging irgendwie. Wenn man zweimal am Tag trainiert, ist man abends nicht unbedingt in der körperlichen Verfassung, noch groß was mit Freunden zu unternehmen. Meistens war man froh, was zu essen und ein bisschen Ruhe zu haben. Wir waren auch viel im Ausland – etwa 200 Tage im Jahr. Das wirkt sich natürlich auch auf das Privatleben aus. Man sucht sich dann unweigerlich Freunde auf der Tour, mit denen man im Trainingslager oder bei Turnieren Zeit verbringt. Da haben sich auch echte Freundschaften entwickelt. Freunde und Familie zu Hause – das kam nicht zu kurz, aber man musste schon schauen, dass man den Kontakt aufrechterhält. Damals gab es auch noch kein WhatsApp oder Facetime. Da war alles etwas komplizierter als heute, aber es ging – es war halt eine Frage der Organisation und des Verständnisses. Man braucht ein Umfeld, das den Profisport – besonders Beachvolleyball, weil man so viel weg ist – mitträgt und gut mitgestaltet.
Jonas Reckermann

Wie ist es Ihnen gelungen, Studium und Leistungssport erfolgreich miteinander zu verbinden?

Ich habe ziemlich lange studiert – etwa 28 Semester. Angefangen habe ich in Münster, dann ging es wegen des Sports nach Wuppertal und Köln. Während meiner Zeit als Profi konnte ich im Sommer nie studieren, da war ich unterwegs. Im Winter habe ich dann das gemacht, was möglich war, und das auch genossen. Es hat mir gutgetan, neben dem Sport noch etwas im Kopf zu haben – auch sozial, um mal aus der Beachvolleyball- Blase rauszukommen. Rückblickend war die Kombi aus Studium und Sport für mich genau richtig.
Jonas Reckermann

Würden Sie jungen Menschen, die den Traum haben, Profisportler zu werden, empfehlen, sich parallel dazu ein zweites Standbein aufzubauen?

Unbedingt. Es gibt nur wenige Sportarten, bei denen man nach der Karriere ausgesorgt hat. Klar, im Fußball vielleicht – aber selbst da gilt das nur für wenige. Und selbst wenn man das Geld hätte: Nur von Zinsen zu leben, ohne Sinn oder Aufgabe, ist auf Dauer auch nicht erfüllend. Außerdem kann im Sport schnell alles vorbei sein. Mit Anfang 20 denkt man, es läuft – und dann kommt der zweite Kreuzbandriss, und es ist vorbei. Deshalb sollte man immer einen Plan B haben. Mir persönlich hat es Sicherheit gegeben, zu wissen: Ich habe eine Absicherung, könnte jederzeit in einen anderen Beruf wechseln. Das hat den Kopf freigemacht – und dadurch konnte ich mich noch besser auf den Sport konzentrieren, ohne den Druck, dass es zwingend klappen muss. Ich würde das jedem empfehlen. Nicht nur, falls es mit dem Sport nicht reicht – sondern auch, um im Sport besser zu performen. Und das muss nicht zwingend ein Studium sein. Es kann auch eine Ausbildung sein oder ein Fernstudium – irgendetwas, worauf man zurückgreifen kann. Man kann nicht Vollzeit Profi sein und gleichzeitig einen Vollzeitjob machen – klar. Aber es gibt viele Modelle, bei denen sich Leistungssport und berufliche Ausbildung kombinieren lassen. Viele Arbeitgeber sind da auch offen – nicht nur wegen der Sportaffinität, sondern weil Leistungssportler oft ehrgeizig, motiviert und diszipliniert sind. Das sind Eigenschaften, die auch in der Arbeitswelt sehr geschätzt werden.
Jonas Reckermann

Hat sich Ihr Leben nach dem Olympiasieg stark verändert?

Definitiv. Beachvolleyball war damals eine Randsportart, außerhalb von Olympia gab’s medial nicht so viel Aufmerksamkeit. Bei Olympia war das anders – ich glaube, das Finale haben über zehn Millionen Menschen gesehen. Das Turnier war lang, die Spannung baute sich auf, und danach hatte man plötzlich das Gefühl, so im Fokus zu stehen wie ein Bundesliga-Fußballer. Gerade in Deutschland war das ungewohnt: Man ging über die Straße, wurde erkannt, beim Essen nach Autogrammen gefragt – das war schon besonders. Ein Stück weit ist das auch schön, weil man ja etwas Positives teilt, eine Erinnerung an den Finalsieg. Aber ich hätte das nicht dauerhaft gebraucht. Man fühlte sich sehr beobachtet, und manche Anfragen kamen zu unpassenden Momenten – etwa wenn man mit der Familie unterwegs war und eigentlich Ruhe wollte. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass sich das mit der Zeit wieder etwas gelegt hat. Heute wird man bei Sportveranstaltungen ab und zu noch erkannt oder nach einem Foto gefragt, aber das ist völlig entspannt – nicht mehr so wie direkt nach Olympia. Den Unterschied haben wir damals deutlich gespürt.
Jonas Reckermann

Wie haben Sie den Übergang vom Profisport in das Berufsleben erlebt? Ging dieser mit einer starken Umstellung einher?

Ja, schon. Aber ich bin da recht rational und habe die Entscheidung bewusst getroffen – vor allem aus gesundheitlichen Gründen, wegen meinem Rücken und meiner Schulter. Für mich hätte nur Olympia in Rio nochmal einen Reiz gehabt, aber es war klar, dass mein Körper das nicht mehr mitmacht. Also habe ich gesagt: Schluss, bevor ich langfristig etwas riskiere. Ich habe dann mein letztes Staatsexamen vorgezogen, Erdkunde stand noch aus. Das war gut, weil ich sofort eine neue Aufgabe hatte – acht Stunden am Tag am Schreibtisch, ein klares Ziel. Deshalb hatte ich nie das Gefühl, in ein Loch zu fallen oder plötzlich nicht zu wissen, was ich machen soll. Es lief bei mir ziemlich reibungslos. Ich habe dann noch ein paar Jahre im Sportjournalismus gearbeitet, Spiele kommentiert, Vorträge gehalten – unter anderem für Sky und ZDF. Erst vier Jahre später bin ich ins Referendariat gegangen, mit dem klaren Ziel, Lehrer zu werden.
Jonas Reckermann

Gibt es einen persönlichen Tipp, den Sie jungen Menschen mitgeben würden, die das Ziel verfolgen, eine Karriere im Profisport einzuschlagen?

Ich denke, Beharrlichkeit ist entscheidend. Es gibt nicht nur den einen Weg nach oben. Viele denken, sie müssten früh in den Kader, bestimmte Schritte machen – aber das ist nicht immer nötig. Wichtiger ist, wie sehr man an seinen Zielen dranbleibt. Talent gehört natürlich dazu, aber wer Rückschläge als Chance sieht und nicht aufgibt, der kommt oft weiter als andere. Ich habe viele erfolgreiche Sportler getroffen, die nicht die Überflieger in jungen Jahren waren, sondern sich über Umwege durchgebissen haben – weil sie an sich geglaubt und mit Leidenschaft trainiert haben. Oft sind es nämlich nicht die, denen alles zufliegt, die langfristig Erfolg haben, sondern die, die gelernt haben, mit Widerständen umzugehen. Deshalb mein Rat: Leidenschaft und Beharrlichkeit sind das Wichtigste. Nicht alle werden Profisportler – das muss einem klar sein. Aber wer dranbleibt, erhöht seine Chancen enorm. Und auch wenn’s am Ende „nur“ der Breitensport ist – Sport ist in jedem Fall wertvoll, für Körper und Kopf. Hauptsache, man findet etwas, das einem Spaß macht.
Jonas Reckermann

interviewt und verfasst von Josephine Bierschenk

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